Bad Soden: Bad Soden hat Klimaschutz bisher verschlafen

Vor einigen Wochen standen Teile Bad Sodens unter Wasser. Die Stadt schätzt die dabei entstandenen Schäden bei der kommunalen Infrastruktur auf über 600.000 Euro. Insbesondere der Kurpark und das Freibad, aber auch zahlreiche private und gewerbliche Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Dieses Ereignis war für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Bad Soden der Anlass, ein virtuelles Fachgespräch zum Thema Klimaschutz zu führen. An der Diskussion im Rahmen der Erstellung des Wahlprogramms für die anstehenden Kommunalwahlen im März 2021 nahmen die folgenden Parteimitglieder teil: die promovierte Agrarwissenschaftlerin und Sprecherin der Sodener Grünen Dr. Annelie Koschella, die Diplombiologin Nicole Drinkuth, die Diplomvolkswirtin Katrin Enting-Pauw und der Diplomagraringenieur Helmut Grossmann.

„Einige Bad Sodener sagen ja, Hochwasser hätte es hier immer schon gegeben. Das habe nichts mit dem Klimawandel zu tun“, leitet Helmut Grossmann das Gespräch ein. Dr. Annelie Koschella stellt gleich klar, dass diese Menschen einem Irrtum aufliegen. Natürlich habe es auch früher schon Starkregen und Hitzewellen gegeben, aber durch den Klimawandel würden diese häufiger und heftiger. „Die Erderwärmung führt dazu, dass die Luft mehr Wasser aufnimmt. Deshalb erleben wir jetzt immer öfter tropische Nächte und Starkregen. Gleichzeitig verändern sich aber auch die Luft- und Meeresströmungen, so dass wir zunehmend mit langen Trockenperioden zu kämpfen haben werden“, erklärt Nicole Drinkuth. Die Folgen des Klimawandels seien zwar schwer vorherzusagen, aber sie haben schon begonnen: man müsse sich nur die hiesigen Nadelwälder anschauen, die durch die extreme Trockenheit geschwächt seien und jetzt vom Borkenkäfer zerfressen werden. „Auch Gebäude sind von der Trockenheit betroffen“, ergänzt Dr. Koschella. Der Boden sei so trocken, dass er schrumpfe und Risse in den Gemäuern verursache.

„Bad Soden gehört laut der Starkregen-Hinweiskarte des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie zu den 6% der Landesfläche, die am stärksten durch Starkregen gefährdet sind“, erläutert Katrin Enting-Pauw. Aufgrund der topographischen Lage und der dichten Bebauung seien die zu erwartenden Schäden in Bad Soden besonders hoch. „Da wird in Zukunft noch einiges auf die Stadt zukommen“, leitet sie ihr Plädoyer für mehr Klimaschutz ein. Die Stadt müsse jetzt handeln, um die Bürger*innen und ihr Eigentum sowie die kommunale Infrastruktur in Zukunft besser schützen zu können. Zum Beispiel müssten Flächen entsiegelt werden, damit Regenwasser direkt versickern kann. Für diese Maßnahmen gebe es sogar Fördermittel der Landesregierung.

„Leider habe die Stadt das bisher verschlafen“, ergänzt Dr. Koschella. Die Sodener Grünen hätten über die Jahre schon zahlreiche Anträge zum Thema Klimaschutz im Stadtparlament gestellt, unter anderem für ein kommunales Klimaschutzkonzept. Die Mehrheit der Stadtverordneten habe das aber abgelehnt, mit der Begründung, es brauche kein Konzept, die Stadt mache ja schon genug. Koschella räumt ein, dass es vereinzelte Maßnahmen gebe, wie etwa das Rückhaltebecken am Niederdorfbach oder die anstehende Renaturierung des Liederbachs im Rahmen des Landesprogramms „100 wilde Bäche“. Oft gehe es aber nur darum, die bereits entstandenen Schäden auszubügeln. So gebe die Stadt zum Beispiel eine Menge Geld aus,  Bäume, die wegen der anhaltenden Trockenheit abgestorben sind, im gesamten Stadtgebiet zu ersetzen. All das sei weder genug noch langfristig gedacht.

„Es gibt in der Stadt niemanden, der sich professionell um den Klimaschutz kümmert. Das läuft zurzeit alles beim Bürgermeister zusammen“, sagt Koschella. Es sei höchste Zeit, dass es zumindest eine halbe Stelle für eine/n Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte/n in der Stadtverwaltung gebe. Bei diesem Thema gehe es nicht nur um den Schutz der Stadt vor den Folgen des Klimawandels, sondern auch um die Energie-und Verkehrswende. Als Beispiel nennt Koschella Solarstrom: seit 10 Jahren haben die Grünen mehrere Anläufe für die Idee einer Bürgersolaranlage gemacht, aber die Stadt habe das leider im Sande verlaufen lassen. „Selbst bei der neuen Sodener Feuerwache habe die Stadtregierung die von den Grünen vorgeschlagene Solaranlage und Brauchwasseranlage wieder aus der Planung gestrichen“, echauffiert sich Koschella.

Zum Abschluss weisen die Gesprächsteilnehmenden auf die Dringlichkeit des Handelns hin. Je länger die Stadt mit sinnvollen Klimaschutzmaßnahmen warte, umso teurer werde es für die Bürger/innen letztlich werden. Es zeichne sich ja bereits ab, dass das 1,5-Grad-Ziel weltweit verfehlt wird und man mit den schlimmsten Folgen des Klimawandels rechnen müsse. Dabei könne Bad Soden auch mit wenig Geld einiges erreichen, zum Beispiel Dächer begrünen, wasserdurchlässige Fahrbahnbeläge verwenden und vor allem mehr trockenresistente Bäume pflanzen. „Klimaschutz wird für uns im anstehenden Wahlkampf ein zentrales Thema sein“, schließt die Sprecherin der Sodener Grünen die Diskussion ab.